In den letzten Monaten herrschten im äquatorialen Pazifik El Niño Bedingungen, auch aktuell sind die Meeresoberflächentemperaturen hier noch überdurchschnittlich. Doch der El Niño liegt in seinen letzten Zügen, die ENSO Schaukel kippt.
Die ENSO Schaukel kippt – ein Update
Gestern am 22. April 2024 veröffentliche die NOAA das letzte Update zur ENSO (El Niño-Southern Oscillation). Noch herrschen im äquatorialen Pazifik El Niño Bedingungen, doch der sich abschwächende Trend hat sich weiter fortgesetzt. Im zentralen Pazifik ist die Meeresoberflächentemperatur (SST, sea surface temperature) noch überdurchschnittlich, im Osten vor der Küste von Südamerika aber schon unterdurchschnittlich. Dieser Bereich wird sich in den kommenden Wochen stetig weiter nach Westen ausweiten, ENSO wird demnächst in einen neutralen Zustand übergehen und im Laufe des Sommers mit grosser Wahrscheinlichkeit zu La Niña wechseln.
Abb. 1: Verlauf der Anomalie der Meeresoberflächentemperaturen im äquatorialen Pazifik seit Februar 2023; Quelle: NOAA
Abb. 2: Abweichung der Meeresoberflächentemperatur im Pazifik von der Norm im vergangenen Monat; Quelle: NOAA
Abb. 3: Aktuelle ENSO-Vorhersagen der verschiedenen Computermodelle für die kommenden Monate; Quelle: IRI
Abb. 4: Wahrscheinlichkeiten für die weitere ENSO Entwicklung in den kommenden Monaten; Quelle: IRI
Die Zeichen stehen auf Abschwächung
Der zyklische Wechsel zwischen El Niño und seiner kalten Schwester La Niña (ENSO – El Niño Southern Oscillation) gehört zu den bekanntesten Klimaphänomenen der Erde. Die Temperaturverhältnisse an der Meeresoberfläche im äquatorialen Pazifik haben nicht nur vor Ort grosse Auswirkungen auf die Wetterdynamik, sondern hat über Telekonnektion auch Auswirkung in etlichen anderen Regionen der Welt. Aber dabei gibt es natürliche Variationen. In Australien war zwar der Zeitraum August bis Oktober wie erwartet trocken (sogar der trockenste seit Aufzeichnungsbeginn), allerdings liess der Einfluss von El Niño danach nach, es wurde nasser. Das Amazonasbecken leidet seit Monaten unter einer aussergewöhnlichen Dürre, auch die Temperaturen waren zuletzt weit überdurchschnittlich. Im Osten Afrikas war es zuletzt nasser als üblich, das entspricht der Erwartungshaltung bei El Niño.
Abb. 1: Verlauf der Anomalie der Meeresoberflächentemperaturen im äquatorialen Pazifik seit Februar 2023. Ende von La Niña, Wechsel zu El Niño; Quelle: NOAA
Zwischen November und Anfang Januar erreichte El Niño seinen Höhepunkt, das warme Oberflächenwasser erreichte seine grösste Ausdehnung. Auch das ist normal – daher auch der Name (das Kind oder das Christkind). In den ersten Wochen des Jahres begann sich aber das Wasser im östlichen Pazifik abzukühlen, der Trend verstärkte sich zuletzt. Auch im zentralen Pazifik zeigt sich inzwischen ein negativer Trend.
Abb. 2: Abweichung der Meeresoberflächentemperatur im Pazifik von der Norm im vergangenen Monat; Quelle: NOAA
Die ENSO Schaukel kippt erneut
La Niña konnte sich fast drei Jahre in Folge bis Anfang 2023 behaupten, danach kam der Wechsel zu einem kräftigen El Niño. Nach den aktuellen Prognosen erwartet uns in den kommenden Monaten aber ein erneuter Umschwung. El Nino sollte sich demnach in den nächsten Wochen weiter abschwächen, sein Einfluss auf das weltweite Wettergeschehen dauert aber noch an (die Atmosphäre reagiert zeitlich verzögert).
Abb. 3: Aktuelle ENSO-Vorhersagen der verschiedenen Computermodelle für die kommenden Monate; Quelle: IRI
Nach einigen Modellen stellt sich bereits zwischen März und Mai ein neutraler Zustand ein, konservativere Ansätze sehen dies zwischen April und Juni. In jedem Fall aber sind wohl die Tage dieses El Niño Ereignisses gezählt. Für die zweite Jahreshälfte scheint ein erneuter Wechsel zu La Niña wahrscheinlich.
Abb. 4: Wahrscheinlichkeiten für die weitere ENSO Entwicklung in den kommenden Monaten; Quelle: IRI
Mögliche Auswirkungen
Die Wechselwirkungen zwischen Meer und Atmosphäre sind sehr komplex, es gibt hier keine einfachen und pauschalen Antworten. Wie schon im Grossteil des letzten Jahres liegt die mittlere globale Meersoberflächentemperatur zwischen 60 Grad Nord und 60 Grad Süd aktuell auf Rekordniveau, und das mit grossem Abstand. Der Grad der Abweichung ist in der Ära der Satellitenbeobachtung absolutes Neuland.
Abb. 5: Verlauf der mittleren globalen Meeresoberflächentemperatur für die Jahre1981-2024; Quelle: University of Maine
Mit der Abkühlung des äquatorialen Pazifiks und damit eines sehr grossen Meeresgebiets sollte sich das etwas abschwächen. El Niño und La Niña haben bekanntermassen auch Auswirkungen auf die atlantische Hurrikansaison. Letztere verbessert im atlantischen Becken die atmosphärischen Bedingungen für die Hurrikanbildung (unter anderem geringe Windscherung). In diesem Fall wäre das Timing schlecht. Überdurchschnittliche Wassertemperaturen treffen im Herbst auf sich verbessernde atmosphärische Voraussetzungen. Es wird interessant zu sehen, wie sich dieser Umstand in den ersten Prognosen der verschiedenen Institute für die kommende Hurrikansaison niederschlägt.